Veröffentlicht: Sonntag, 07. April 2019

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SPECIAL OLYMPICS
Hand in Hand beim Training mit einem Bundesligisten

ESSEN/REES. Mitglieder der Behindertensportabteilung des SV Rees waren bei der SGS Essen zu Gast. Beim inklusiven Training gab es keine Berührungsängste.

Viele Beine jagen über den grünen Rasen. Vorne ein Johlen in der wärmenden Abendsonne, an der Seitenlinie ein fröhliches Glucksen, von der Eckfahne schallt Gelächter. Die Freude ist den 43, meist weiblichen Sportlern förmlich ins Gesicht geschrieben. Hand in Hand geht es über den Platz der Helmut-Rahn-Sportanlage in Essen. Gefangen wird in Pärchen, bis zum Schluss nur noch eine lange, bunte Menschenkette übrig bleibt. Die Stimmung ist ausgelassen.

Rund eine Stunde zuvor sah das bei den neun Kickern der Abteilung für Menschen mit Handicap beim SV Rees noch ganz anders aus. Nach der Abfahrt der kleinen Reeser Reisegruppe auf dem Hof der Lebenshilfe in Groin herrschte zunächst einmal angespannte Ruhe im Bus. Die Vorfreude auf das inklusive Training mit den Fußballerinnen des Bundesligisten SGS Essen war groß, die Aufregung aber nicht viel kleiner.

Als der Bus von der Autobahn abfährt, ist Felix plötzlich hellwach, aber Fehlalarm. In Wesel steigen lediglich Bennie und Trainer Marco Bolk zu. „Bennie ist schon seit Tagen ganz heiß auf das Training heute“, musste Abteilungsleiter Eddy Irro vom SV Rees am Lenkrad des Kleinbusses lachen, „auf der Arbeit hat er Marco den ganzen Tag verrückt gemacht.“ Felix hingegen hat sich extra frei genommen, denn er will lieber richtig fit sein.

Special Olympics Woche
Roland (52) gilt als der Routinier beim Behindertensport des SV Rees, geht nun schon seit über 20 Jahren für die Grün-Weißen auf Torejagd und hat daher schon einige Fahrten erlebt. Ihn bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Höchstens die bevorstehende Hochzeit mit seiner Verlobten Anja, die im Bus neben ihm Platz genommen hat. Auch Sandra, ebenfalls an Bord, heiratet demnächst, so wird König Fußball bei den Gesprächsthemen erstmal zur Nebensache. „Mit ihnen zu arbeiten macht einfach unheimlich viel Spaß. Sie sind total ehrlich und dankbar. Ich habe in all den Jahren noch nie ein böses Wort gehört“, macht Eddy Irro die unzähligen Stunden ehrenamtlicher Arbeit kostenlos – und bekommt dafür jede Menge zurück.

An der Sportanlage angekommen nimmt Nico Herrmann von Special Olympics Nordrhein-Westfalen (SONRW) die Niederrheiner zunächst in Empfang, zur Überraschung gibt es für jeden Kicker noch ein T-Shirt. Die Sportler aus Rees lassen sich nicht lange bitten und tauschen ihre grünen Trainingsanzüge in der Umkleidekabine ganz schnell gegen kurze Hosen und das neue, schmückende Shirt. Dann geht es endlich auf den Fußballplatz.

Unvergesslicher Tag
Das inklusive Training findet im Rahmen der Special Olympics Woche statt. Die Organisatoren ermöglichen Menschen mit geistiger Behinderung in jedem Jahr einen unvergesslichen Tag bei einem Training einer Profi-Mannschaft. So wurden in der Vergangenheit bei den Herren alle Vereine der ersten und zweiten Bundesliga besucht, bei den Damen ist die SGS der einzige Verein. „Hier in Essen ist es schon sehr außergewöhnlich, dass es so in das reguläre Training integriert wird“, schwärmt Herrmann, „also außergewöhnlich schön, weil es der Idee von Inklusion so gut gerecht wird. Die Stimmung ist extrem positiv, sehr lustig und es gibt viele Kontakte untereinander. Das sind echt tolle Mädels in der Truppe.“

Am Ball Kathrin vom SV Rees gegen zwei Spielerinnen der SGS.
Am Ball Kathrin vom SV Rees gegen zwei Spielerinnen der SGS.
Während die Damen der SGS im Hintergrund die Tore tragen, machen die Kicker mit Handicap sich entspannt im Essener Vorfrühling noch etwas warm. Gekonnt jongliert Franziska den Ball. Die 23-Jährige lässt das Leder locker auf den Oberschenkel hüpfen, von dort lässig auf die Fußspitze und zurück, dann geht es auch schon los.

Die Trainings-Duos, aus jeweils einer Spielerin der SGS und einem Sportler des SV Rees oder von den Hephata Werkstätten Mönchengladbach, die mit ihren Mädels ebenfalls am Training teilnehmen, sind schnell gefunden. „Das Ganze soll keine Einbahnstraße sein, daher haben wir die Teams bewusst gemischt. Es ist ein toller Tag und das Projekt ganz sicher ein Gewinn für beide Seiten“, freute sich Essens Trainer Daniel Kraus, trotz Bundesligaendspurt, über die etwas andere Trainingseinheit.

Torwart Bennie muss nicht lange überlegen. Seine Wahl fällt auf Jil Strüngmann, die natürlich ebenfalls das Tor hütet. „Der Bennie ist total süß. Wenn man sieht wie er, und auch die anderen, da Spaß ohne Ende haben ist das natürlich schon toll. Es gibt gar keine Berührungsängste, einfach eine schöne Aktion“, posierte die Torhüterin in einer kleinen Pause nur allzu gerne für ein Erinnerungsfoto mit ihrem Trainingspartner.

Kettenfangen und Reflexball
„Hand in Hand“ lautet das Motto der inklusiven Trainingseinheit und Hand in Hand wird auch das gesamte Training absolviert. Ob beim Kettenfangen zum Warmmachen, dem Kick mit einem Reflexball, den Dribblings mit geschlossenen Augen, alle Duos sind mit viel Freude und Eifer bei der Sache. Beim Abschluss-Spiel netzt dann Franzi cool ein und auch Felix lässt bei seinem Schuss, trotzt professioneller Unterstützung im Tor, Bennie keine Abwehrchance. Ein Schuss von Schalke-Fan Kathrin aus Praest wird zunächst noch auf der Linie geklärt, dann ist auch sie erfolgreich. „Das hat mega Spaß gemacht“, ist nicht nur Gina begeistert. „Das ist mal was anderes, gegen die Profis zu spielen. Das hat total viel Spaß gemacht“, freut sich auch Routinier Roland über die gelungene Abwechslung. Bei den abschließenden Autogrammen, inklusive Fotos mit den Profis, ist er bisher noch leer ausgegangen. Nina Brüggemann schiebt daher Überstunden: „Ich war mit der Anja zusammen, dass hat total viel Spaß gemacht. Man hat gesehen wie begeistert sie sind. So alle gemeinsam war es auch für uns total cool“, findet die sympathische Abwehrspielerin.

Alles Gute für die Hochzeit
„Hier für dich“, bekommt Roland eine ganz besondere Widmung, „alles Gute für die Hochzeit habe ich noch draufgeschrieben.“ Dann geht es im Sprint und mit einem breiten Lächeln zurück auf den Trainingsplatz, wo die Profis noch eine Extraschicht einlegen. Für die Truppe aus Rees geht es nach einem tollen Erlebnis zurück an den Niederrhein. Es herrscht wieder Ruhe im Bus – diesmal keine angespannte, sondern eine glückliche, erschöpfte.

 

 

Quelle:www.nrz.de

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